Steigerung kaum mehr möglich
Neujahrskonzert der »Blue note BIG BAND« mit Henk Meutgeert im Saalbau setzt neue Maßstäbe
Sie ist alle Jahre wieder für eine Überraschung gut - die »Blue note BIG BAND«. Am Neujahrstag überraschte die Band im Neustadter Saalbau mit einer völlig neuen Note: mit einem deutlich gesteigerten Unterhaltungswert, mit Mainstream-Big-Band-Jazz, der dennoch auf höchst eigene Art und Weise neu und vor allem fantastisch gespielt war.
Die Laien-Big-Band hat längst eine Klasse erreicht, mit der manches Profi-Orchester in den Schatten gestellt werden kann, und sorgte damit wieder einmal für ein ausverkauftes Haus im Saalbau. Jazz und ausverkauft sind eigentlich Vokabeln, die in Kombination sehr selten vorkommen, doch was in rund drei Stunden von den Musikern unter der Leitung von Bernd Gaudera und dem Stargast Henk Meutgeert geboten wurde, überstieg alle Vorstellung davon, was Laien leisten können.
Die Bühne dunkel, nur die Blechbläser im Licht und dann Gaudera mit dem Sopransaxophon am Solistenpult - den Zuhörer überfällt Energie pur in Form eines gänzlich runden Sounds, auf dessen Basis der Bandleader den Titel »US« zum Erlebnis werden lässt. That Jones, Bandmitglied von Count Basie, später selbst ein bekannter Bandleader, Komponist und Arrangeur, hat diesen Titel, der sich als Opener geradezu aufdrängt, geschrieben.
Und dann kam der Mann, dem die »Blue note BIG BAND« den neuesten Höhenflug verdankt: Henk Meutgeert. Schon nach den ersten Sätzen wird klar, der niederländische Pianist und Chef des renommierten »Jazz Orchestra of the Concertgebouw« in Amsterdam, ist Entertainer der alten Schule, versteht Jazz als U-Musik, die ein breites Publikum ansprechen soll. Und nach dieser Devise macht er zusammen mit der Band die nächsten drei Stunden zum idealen Jahresauftakt.
Mit seinem Arrangement der »Nussknacker-Suite«-Ouvertüre und der »Peanut Brittle Brigade«, die Billy Strayhorn für die Big Band von Duke Ellington gesetzt hat, setzt Meutgeert erste Maßstäbe zund zeigt, was er aus der Band herausgekitzelt hat. Groove und satter Sound sind selbstverständlich, das kennt man, aber die Kraft und der gewaltige Ausdruck, der den Zuhörer geradezu anspringt, die sind neu - selbst für eingefleischte Fans. Und so wird auch »Tip Toe«, eines der wohl bekanntesten Werke von That Jones zum Genuss.
Hier kommt dann auch zum erste Mal Axel Schlosser auf die Bühne, Trompeter bei der HR-Big Band, gerade 29 Jahre alt, aber mit ungeheuerer Erfahrung, traumhaftem Einfühlungsvermögen und sattem Sound. Als Vorbilder gibt seine Biografie unter anderem Dizzy Gillespie und Wynton Marsalis an, und irgendwo in diesem Klangspektrum bewegt sich Schlosser mit großer Sicherheit. Doch nicht er macht »Tip Toe« zum Knüller, sondern Sandra Scheurer am Altsaxophon. Sie - bislang stets recht zurückhaltend und seltener als ihre Kollegen solistisch zu erleben - legt los, als gebe es kein Morgen mehr und ist damit wohl der beste Beweis dafür, dass Henk Meutgeert viele bisher verborgene Nuancen aus der Band herausgeholt hat.
Eigentlich müsste hier jeder Song detailliert besprochen werden, sei es das rasend schnelle »Don't git Sassy« mit den bestechenden Gruppensoli der Trompeten und der Posaunen oder die Weltpremiere von Schlossers »Touching the Moon«, bei dem der Solist mit dem Flügelhorn wahre Gefühle durch den Saal fliegen ließ. Auch Sängerin Michaela Pommer zeigte sich mit dem »September Song« von Kurt Weill oder »How deep is the Ocean« von ihrer beste Seite.
Die Band bestieg dann mit »Sing, Sing, Sing« den alles überragenden Sound-Gipfel. Drummer Mischa Becker und Bandleader Bernd Gaudera mit der Klarinette übertrafen sich selbst. Zu sagen, das war das beste Konzert der Band bislang, wäre sicher berechtigt, aber auch wieder ein wenig ungerecht gegenüber früheren Glanztaten. Ein Meilenstein war die Zusammenarbeit mit Henk Meutgeert und Axel Schlosser aber in jedem Fall.